High-Tech-Gebäude verbindet Ökologie mit Komfort

Von der zeitplanorientierten Steuerung zur Bedarfsorientierung

Mit rund 20 Stockwerken ragt das “Düsseldorfer
Stadttor” über dem Eingang des Rheinufertunnels in
den Himmel. Ernst-Joachim Müller* beschreibt die
integrierte Gebäudeautomation des neuen Düsseldorfer
Wahrzeichens.

Ein intelligentes Gebäude, dem die Düsseldorfer
schnell die Bezeichnung “Stadttor” gegeben
haben und das sich auf einem Grundriß in Form eines
Parallelogramms mit den Kantenlängen 66 und 50 Metern
erhebt, hat in Europa bereits einige Aufmerksamkeit auf
sich gezogen.

Mit seinen Zwillingstürmen ist es ein
Bauwerk, das auch hinsichtlich ökologischer Prinzipien
und intelligenter Automation Maßstäbe setzen kann. Bei
der Planung war nicht allein die Verringerung des
Heizenergiebedarfs wichtig, sondern auch eine
ganzheitliche Lösung, die die Verwendung
reproduzierbarer Primärenergien, die Nutzung von
Tageslicht und natürlicher Be- und Entlüftung ebenso
wie ökonomische Gesichtspunkte einbezieht. Kurz: ein
gewerkeübergreifendes Gebäude-Management.

Zwei Hauptziele wurden bei der Projektierung verfolgt:

  • die Senkung des Energieverbrauchs und der
    Betriebskosten bei gleichzeitiger Nutzung
    regenerierbarer Primärenergien und der
    natürlichen Be- und Entlüftung sowie
  • die Erhöhung von Komfort und Nutzungswert des
    Gebäudes.

Das Problem war, daß diese Anforderungen nur durch
eine Gebäude-Automationssystem zu realisieren waren, das
einzelne Systeme verschiedener Hersteller auf mehrere
hierarchischer Ebenen integrieren konnte. Ziel war das
Zusammenspiel mehrerer Komponenten und Gewerke
verschiedener Hersteller, die gemeinsam über ein
Protokoll kommunizieren können. Im Wettbewerb wurde dem
von Johnson Controls, Milwaukee/Wisconsin, entwickelten
DDC-/GLT-Konzept auf der Basis des Metasys-Systems der
Vorzug gegeben, da die Architektur von der Feld-Bus- bis
Management-Ebene eben diese Anforderungen erfüllte.

Der modulare Aufbau erlaubt den Zuschnitt auf die
jeweiligen Anforderungen und Erweiterungen für
zusätzliche Aufgaben. Zur Integration der einzelnen
Gewerke zu einem Gesamtsystem kamen Standards wie
Ethernet, TCP/IP und LON Works (Local Operating Network)
zum Einsatz (s.ANGEKLICKT). Auf dezentrale Intelligenz
wurde konsequent verzichtet.

Der hohe Standardisierungsgrad und die Struktur der
eingesetzten Technologien erlauben die Integration
unterschiedlicher Lösungen aus verschiedenen Bereichen
des technischen, infrastrukturellen und kaufmännischen
Gebäude-Managements bis hin zum Facility-Management.

Zur Senkung des Energieverbrauchs wurden isolierte
Doppelglasfassaden sowie Heiz- und Kühldecken
eingesetzt, die im Zusammenspiel mit den Heizungs- und
Klimagewerken, den Temperatursensoren und der Fenster-
und Jalousienautomatik arbeiten. Die
Doppelfassadenarchitektur erzeugt einen
Wintergarteneffekt, der in Kombination mit den Heizungs-
und Klimasystemen sowie des Systemen zur automatischen
Fenster- und Lüftungskästenöffnung die automatische
Nutzung natürlicher Wärme und Belüftung ermöglicht.
Gleichzeitig dämmt die isolierte Luftschicht zwischen
den beiden Glasfassaden das Gebäude. Durch die
Kommunikation von Lichtsensoren mit der
Jalousiensteuerung läßt sich eine bessere Ausnutzung
des Tageslichts und damit eine Senkung des
Stromverbrauchs erreichen.

An dieser Stelle tritt die Einbeziehung von
Partnersystemen in den Vordergrund. Im Rahmen des
technischen Gebäude-Managements wurde zum Beispiel der
Europäische Installations-Bus (EIB) zur Beeinflussung
und Überwachung der Elektro- und Jalousienanlagen
eingebunden.

Zur Steigerung des Komforts bieten die mehr als
tausend frei programmierbaren Einzelraumregelungen in
unterschiedlichen Raumtypen den Nutzern eine individuelle
Steuer-barkeit durch Klima- und Temperaturvorgaben.
Automatisch werden Jalousien ein- und aus-gefahren,
Innenfenster zur Nutzung der erwärmten Luft durch den
Wintergarteneffekt geöffnet und Heizungen
heruntergefahren. Gleichzeitig wird die Aktivierung der
Heiz- oder Kühldecken gesteuert.

Es konnte insgesamt also ein Wandel vom bisher
zeitplanorientierten Einsatz von Geräten zum
bedarfsorientierten Einsatz erreicht werden. Gemeint ist
damit ein zeitunabhängiger Einsatz von Heizung,
Klimaanlage und Jalousien, der dennoch automatisch
vollzogen wird – je nach Anforderung, gemessen durch
Sensoren und Thermostaten.

Zur Überwachung der Raumregelkreise werden ständig
Daten an ein zentrales Diagnoseprogramm geliefert.
Fehlfunktionen, die den Komfort beeinflussen, werden
umgehend an die Gebäudeleittechnik gemeldet. Ausgesuchte
Daten werden an das kaufmännische Gebäude-Management
übermittelt. So sind eine zeitnahe Verbrauchszuordnung
und Kostenabrechnung möglich.

Zur Verbrauchserfassung der Mietbereiche wurde unter
Einbindung des M-Bus-Systems eine SQL-Datenbank
eingerichtet. Sie übernimmt die Aufbereitung und
Bereitstellung der Betriebsdaten sowie deren Auswertung
durch tabellarische oder grafische Reports für die
Betriebs- und Schwachstellenkontrolle.

ANGEKLICKT

Die LON-Technologie (Local Operating Network) setzt
einen intelligenten Mikroprozessor ein, den Neuron, der
das Embedded-System für Türsteuerungen, Thermostate,
Videoüberwachungen oder Rauchmelder verwendet wird. Die
Übertragungswege können ganz unterschiedlich sein.
Bisher engagieren sich bis zu 200 Anbieter von Lösungen
innerhalb der LON-Mark-Interoperability Association. Sie
versucht einen weltweiten Normungsanspruch durchzusetzen
und definiert Richtlinien, die es erlauben, verschiedene
Geräte von einem oder mehreren Hersteller in einem
Netzwerk zu integrieren, ohne Gateways entwickeln zu
müssen, die Protokolle übersetzen. Die deutsche
Abteilung ist die LON Nutzer Organisation e.V(LON) in
Aachen, ihr Präsident Wilhelm Schluckebier (JCI,
Regelungstechnik GmbH, Essen).

* Ernst Joachim Müller ist Projektleiter der Engel & Canessa
Projektentwicklung GmbH & Co.KG in Düsseldorf

Erschienen in: Computerwoche 13/98